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Absturzsicherheit von Fenstern, Fassaden, Verglasungen und Geländern
Fachwissen
FÜR DIESEN ARTIKEL GELTEN MEINE NUTZUNGSBEDINGUNGEN.

Absturzsicherheit von Fenstern, Fassaden, Verglasungen und Geländern

Sicherheit in Gebäuden und an Fenster- und Fassadenkonstruktionen setzen wir naturgemäß voraus. Umso erstaunlicher ist es, wenn man das semiprobalistische Teilsicherheitskonzept betrachtet. Ein Absturz ist damit immer möglich, wenn auch nicht wahrscheinlich. Durch Behörden, als auch durch spezielle Anforderungen, kann es sein, dass andere als nachstehend genannte absturzrelevante Höhen notwendig werden. Dies ist jeweils im Einzelfall zu prüfen. Da z.B. Dachflächenfenster als Klappflügel genutzt werden und zur Benutzung ein Hinauslehnen erforderlich wird, ist die besondere Nutzung in der Absturzhöhe zu berücksichtigen.

Rechtliche Grundlagen: z.B. Bayerische Bauordnung BayBO

Die Bayerische Bauordnung BayBO fordert in Hinblick auf Fenster, Türen, Vorhangfassaden und Lichtdachtkonstruktionen gemäß Art. 36 eine Umwehrung, wenn

  • der Höhenunterschied zwischen im Allgemeinen begehbaren Flächen mehr als 0,50 m beträgt
  • Öffnungen und nicht begehbare Flächen in Dächern und begehbaren Decken, die zum Aufenthalt von Menschen bestimmt sind, nicht sicher abgedeckt oder gegen Betreten gesichert sind
  • Fenster, die unmittelbar an Treppen und deren Brüstungen unterhalb der notwendigen Umwehrungshöhe liegen.

Die Höhe der Umwehrung muss ausreichend hoch und fest sein. Bei Anwesenheit von Kleinkindern sind ggfs. zusätzliche Maßnahmen zu treffen.

An nicht begehbare Flächen können ebenfalls Anforderungen zur Absturzsicherheit bestehen, wenn z.B. Bestimmungen zum Arbeitsschutz erforderlich sind.

Brüstung oder Geländer?

Als Umwehrungen gelten Brüstungen (massives Bauteil) und Geländer (z.B. Bauteil an Fenstern). Eine ausreichende Umwehrungshöhe verhindert den Absturz und ist abhängig von

  • Nutzung bzw. Gebäudearten
  • Absturzhöhe

Französischer Balkon

Als französischen Balkon bezeichnet man bodentiefe Fenster, die mit einem vorgesetzten Geländer der Absturzsicherheit dienen. Diese können aus vertikalen oder horizontalen Stäben bestehen oder mit mit Glas ausgefacht sein. Letztere werden auch als Glasabsturzsicherung bezeichnet. Um diese in Verkehr bringen zu dürfen, ist ein allgemein bauaufsichtliches Prüfzeugnis (AbP) notwendig. Beide Systemarten müssen zusätzlich die Konformität zur ETB-Richtlinie "Bauteile die gegen Absturz sichern", Ausgabe Juni 1985, erfüllen.

ETB-Richtlinie "Bauteile, die gegen Absturz sichern"

In dieser Richtlinie [1] werden zwei Einbaubereiche unterschieden:

  • Raumabschließende Bauteile, Brüstungen, Umwehrungen und dergleichen in Bereichen mit geringer Menschenansammlung. Dazu zählen Nutzungen als Wohnungraum, Hotel, Büro, Krankenräumen und ähnlich genutzten Räumen, einschließlich der Flure. Als horizontale Nutzlasten (Linienlasten) sind 0,5 kN/m in 0,9 m Höhe* über dem Fußboden anzusetzen.
  • Raumabschließende Bauteile, Brüstungen, Umwehrungen und dergleichen in Bereichen mit großer Menschenansammlung. Dazu zählen Nutzungen als größere Versammlungsräume, Schulräume, Hörsäle, Ausstellungsräume, Verkaufsräume und ähnlich genutzten Räumen. Als horizontale Nutzlasten (Linienlasten) sind 1,0 kN/m in 0,9 m Höhe* über dem Fußboden anzusetzen.

Anstelle des rechnerische Nachweises darf auch ein Nachweis mittels Versuch geführt werden. Bei der stoßartigen Belastung wird in einen weichen und einen harten Stoß unterschieden. Der rechnerische Nachweis bei harten Stoß kann in der Regel jedoch nicht geführt werden. Dementsprechend sind Versuche (Pendelschlagversuch) erforderlich.

Die ETB-Richtlinie ist gemäß der Muster-Verwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen nicht bei Bauteilen aus Glas anzuwenden.

*Die Höhe des Lastangriffs richtet sich nach der Absturzhöhe.

Geländerhöhen

Hinweise für die erforderliche Geländerhöhe in Verbindung mit den jeweiligen Absturzhöhen finden sich in DIN 18065:2015-03 bzw. 2020-08, Gebäudetreppen - Begriffe, Messregeln, Hauptmaße, Nummer 6.8.2 [2]:

Umwehrungen in Wohngebäuden

bis einschliesslich 12 m Absturzhöhe: 90 cm
ab 12 m Absturzhöhe: 110 cm

Umwehrungen in allen anderen Gebäuden

bis einschliesslich 12 m Absturzhöhe: 100 cm
ab 12 m Absturzhöhe: 110 cm

In jedem Fall sind die mindestens erforderlichen Umwehrungshöhen zu prüfen und planerisch festzuglegen. Der Abstand der Umwehrung zur sichernden Fläche darf maximal 6 cm betragen.

Fensterbrüstungen in Wohngebäuden

bis einschliesslich 12 m Absturzhöhe: 80 cm
ab 12 m Absturzhöhe: 90 cm

Fensterbrüstungen in Arbeitsstätten nach Arbeitsstättenrichtlinie ASR A2.1

bis einschliesslich 12 m Absturzhöhe (siehe Ausnahmeregelung): 80 cm
bis einschliesslich 12 m Absturzhöhe: 100 cm
ab 12 m Absturzhöhe: 110 cm

Ausnahmeregelung nur bei Fensterbrüstungen bis 12 m Absturzhöhe gemäß den technischen Regeln für Arbeitsstätten ASR A2.1:
Diese kann bis auf 0,80 m verringert werden, wenn die Tiefe bis zum Element mindestens 0,20 m beträgt und durch die Tiefe der Brüstung ein gleichwertiger Schutz gegen Absturz gegeben ist.[4]

Anmerkung: Der Arbeitgeber könnte zwar, sofern die gleiche Sicherheit und der gleiche Schutz der Beschäftigten erreicht wird und damit im Rahmen einer Gefährdungsbeurteilung ein gleichwertiges Schutzniveau erreicht wird, theoretisch auf die vorgenannte Anforderung verzichten, jedoch ist es sehr fraglich, wie dies juristisch bzw. praxistauglich umzusetzen wäre. Die Richtlinie ist deshalb zwingend einzuhalten.

Niedrige Brüstungen als Steighilfen

Sofern niedrige Brüstungen als Steighilfe verwendet werden können, ist die relevante Absturzhöhe ab dieser Oberkante auszuführen. Da es sich nicht um eine technische Frage, sondern um eine rechtliche Frage handelt, obliegt diese dem Planer in Rücksprache mit der zuständigen Behörde.

Landesbauordnung Baden-Württemberg (in Bayern keine Gültigkeit)

Nach Absatz 1 notwendige Umwehrungen und Fensterbrüstungen müssen mindestens 0,9 m hoch sein. Die Höhe darf auf 0,8 m verringert werden, wenn die Tiefe des oberen Abschlusses der Umwehrung mindestens 0,2 m beträgt. Bei Fensterbrüstungen wird die Höhe von Oberkante Fußboden bis Unterkante lichte Fensteröffnung gemessen.

Lastannahmen

Lotrechte Nutzlasten können nach DIN EN 1991-1-1/NA:2010-12, Anforderung nach Tabelle 6.1DE bestimmt werden. Die Lasten qk werden in einem Bereich von 0,5 kN/m bis 2,0 kN/m angenommen.[5] Auch in der ASR A2.1 werden Lasten qk von 0,3 kN/m bis 1,0 kN/m genannt.[4]

Nachweis der Absturzsicherheit bei Verglasungen

Die Absturzsicherheit von Verglasungen kann durch die Norm DIN 18008-4:2013-07 (ehemals TRAV) nachgewiesen werden. Diese Norm gilt für Vertikalverglasungen (± 10° aus der Vertikalen), als auch für zur Angriffsseite geneigte Horizontalverglasungen. Der durch die Verglasung und die angriffsseitige Verkehrsfläche aufgespannte Winkel muss kleiner als 80°sein, um Personen auf Verkehrsflächen gegen seitlichen Absturz zu sichern. Die Verglasungen werden in die Kategorien A, B, C1, C2 und C3 eingeteilt und nach Tabelle B1 in Bezug auf die Absturzsicherheit bemessen.[6] Darüberhinaus bestehen Möglichkeiten auch weitere Ausführungsarten mit z.B. bauaufsichtlichen Prüfzeugnissen in Verkehr zu bringen. Gebogene Verglasungen sind nicht Bestandteil dieser Norm.[7]


Nachweis der Absturzsicherheit bei Fenstern und Pfosten-Riegel-Fassaden (Vorhangfassaden)

Ein Beispiel zur Berechnung finden Sie im Blog "Statische Vordimensionierungen".

Stababstände

Als maximaler Abstand zwischen Absturzstangen kann ebenfalls die DIN 18065:2015-03 bzw. 2020-08 herangezogen werden. Dort heisst es für Öffnungen in Geländern und Umwehrungen In Gebäuden, in denen mit der Anwesenheit von unbeaufsichtigten Kleinkindern zu rechnen ist, darf der lichte Abstand von Geländerteilen in einer Richtung nicht mehr als 12 cm betragen und die Geländer sind so zu gestalten, dass ein Überklettern des Treppengeländers erschwert wird, z. B. durch Anordnung senkrechter Stäbe oder einer Scheibe im unteren Bereich bis zu einer Höhe von 70 cm oder einem um mindestens 15 cm nach innen gezogenen Handlauf […].“[3]

Verwendung von Öffnungsbegrenzern

Inzwischen bestehen auch Möglichkeiten, zumindest in Bayern und Berlin, "absturzsichere" Öffnungsbegrenzer in redundanter Ausführung mittels einer vorhabensbezogener Bauartgenehmigung in Verkehr zu bringen. Bei diesen Konstruktionen sind maximale Öffnungsbreiten von 100 mm bzw. für die Sicherheit von Kindern 89 mm einzuhalten.[8]



[1] Vgl. ETB-Richtlinie "Bauteile die gegen Absturz sichern", Ausgabe Juni 1985.
[2] Vgl. DIN 18065:2015-03 bzw. 2020-08, Gebäudetreppen - Begriffe, Messregeln, Hauptmaße, Nummer 6.8.2.
[3] Ebd. Nummer 6.8.3.
[4] Vgl. Technische Regeln für Arbeitsstätten, Schutz vor Absturz und herabfallenden Gegenständen, Betreten von Gefahrenbereichen, ASR A2.1, Ausgabe: November 2012, zuletzt geändert GMBl 2022, S. 475, Nummer 5.1 (2).
[5] Vgl. DIN EN 1991-1-1/NA:2010-12, Nationaler Anhang – National festgelegte Parameter – Eurocode 1: Einwirkungen auf Tragwerke –
Teil 1-1: Allgemeine Einwirkungen auf Tragwerke – Wichten, Eigengewicht und Nutzlasten im Hochbau, Tabelle 6.1DE.
[6] Vgl. DIN 18008-4:2013-07, Glas im Bauwesen – Bemessungs- und Konstruktionsregeln – Teil 4: Zusatzanforderungen an absturzsichernde Verglasungen, Nummer 1.
[7] Vgl. Ebd. Anhang B, Nummer B1 (a). --> Norm-Entwurf DIN 18008-4:2023-11 - Entwurf
[8] Vgl. DIN EN 13126-5:2015-01, Baubeschläge – Beschläge für Fenster und Fenstertüren - Anforderungen und Prüfverfahren – Teil 5: Vorrichtungen zur Begrenzung des Öffnungswinkels von Fenstern; Deutsche Fassung EN 13126-5:2011+A1:2014 5.2.2
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